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Flexible Stromtarife in Deutschland

Über diesen Artikel

Lesezeit

5 Minuten

Veröffentlichung

24.03.2023

Letztes Update

24.03.2023

Im Zuge der Einführung intelligenter Stromzähler werden die Stromanbieter verpflichtet, ihren Kunden flexible Stromtarife bereitzustellen. Wir zeigen dir, worum es dabei geht.

Inhalt des Blogartikels

Was sind flexible Stromtarife?

Die seit Jahrzehnten üblichen Stromlieferverträge arbeiten mit Fixpreisen pro Kilowattstunde. Diese Art der Bepreisung stammt allerdings noch aus einer Zeit, als die Produktionskosten für Strom über einen langen Zeitraum weitgehend konstant waren. Das entspricht heute nicht mehr der Realität. Zwar schließen Stromanbieter auch heute noch langfristige Verträge mit Erzeugern ab, doch ein großer Teil des Stroms wird über die Strombörse gehandelt. Und an der Börse ändern sich die Preise mehrmals am Tag.

Dieser Variabilität der Einkaufspreise müssen die Stromanbieter auch zunehmend im Verkauf an ihre Stromkunden Rechnung tragen: Unterschieden wird dabei zwischen variablen und dynamischen Tarifen.

Variable Stromtarife

Innerhalb der Gruppe der variablen Tarife gibt es noch weitere Unterscheidungen:

Lastvariable Tarife

Diese Tarife sind für „große Stromabnehmer" im Haushalt wie Nachtspeicherheizungen, Wärmepumpen oder Wallboxen zum Laden des Elektroautos gedacht. Voraussetzung ist, dass diese elektrischen Verbraucher durch den Stromversorger gesteuert werden können. Ist der Strombedarf im Netz sehr hoch, hat der Anbieter die Möglichkeit, die Stromversorgung für diese Geräte zeitweilig zu drosseln. Für diesen Zeitraum berechnet er seinem Kunden niedrigere Netzentgelte.

Für einen solchen Tarif ist für die betroffenen Geräte ein eigener Stromzähler notwendig.

Zeitvariable Tarife mit Hoch- und Niedrigtarifzeiten

Solcherart zeitvariable Tarife gibt es schon etliche Jahrzehnte. Beide Tarifzeiten haben jeweils einen fixen Preis, gelten aber zu unterschiedlichen Zeiträumen des Tages. Der Hochtarif (HT) gilt tagsüber und der Niedrigtarif (NT) nachts, zum Beispiel von 22.00 bis 06.00 Uhr. Bei dieser Tarifgestaltung geht es darum, Nutzer von Großverbrauchern wie einer Nachtspeicherheizung finanziell zu entlasten. Der Stromkunde benötigt dafür jedoch einen Zweitarifzähler.

Zeitvariable Tarife ohne feste Zeiten

Bei diesen Tarifen ist nicht festgelegt, zu welchen Zeiten welcher Strompreis gilt, denn der Preis für den Kunden richtet sich nach dem jeweiligen Börsenpreis. Dir als Kunden wird aber nicht in jedem Augenblick der sich aus dem Börsenpreis ergebende Verbraucherpreis berechnet. Vielmehr ist ein Korridor festgelegt, in dem sich der Preis bewegen darf.

Sollte der Börsenpreis unter die untere Grenze fallen, kommt dir das zwar nicht in voller Höhe zugute – allerdings zahlst du auch nicht den vollen Preis, sollte die Börse über die obere Begrenzung des Korridors steigen. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Anbieter dir einen monatlichen Durchschnittspreis in Rechnung stellt.

Für die Nutzung dieses Tarifs kann der Anbieter einen intelligenten Zähler verlangen. Technisch ist das aber nicht unbedingt notwendig: Es ist auch ein digitaler oder sogar analoger Stromzähler möglich.

Dynamische Tarife

Auch dynamische Tarife sind zeitvariabel. Die Strompreise in diesen Tarifen orientieren sich zu jedem Zeitpunkt am Börsenpreis, der sich täglich mehrfach ändert. Es gelten keine oberen und unteren Grenzen und auch die Mittelwertberechnung entfällt. Du bezahlst also in jedem Zeitpunkt, in dem du Strom verbrauchst, den Preis pro Kilowattstunde, der sich aus dem aktuellen Börsenpreis ergibt.

Ein dynamischer bzw. flexibler Tarif setzt ein intelligentes Messsystem (Smart Meter) mit Internet-Gateway an deinem Stromanschluss voraus.

 

Wie werden flexible Stromtarife bepreist?

Der Strompreis, den du als Kunde an den Anbieter bezahlst, setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: Dabei entfällt der größte Anteil auf den Einkaufspreis, den der Anbieter bezahlt plus einen Aufschlag für weitere Kosten (z. B. Lohnkosten, Rücklagen usw.), die der Anbieter hat. Der Rest verteilt sich auf Entgelte für Netznutzung und Messstellenbetrieb, Steuern, Konzessionen und Umlagen.

Wie bereits erwähnt, ändert sich der Einkaufspreis für den Stromanbieter durch den Börsenhandel ständig. Je nach Gestaltung des Tarifs schlägt sich diese Änderung stärker oder weniger stark im Endkundenpreis nieder.

 

Das sind die Voraussetzungen für einen flexiblen Stromtarif

Um flexible Stromtarife zu nutzen, müssen sowohl Anbieter als auch Kunden entsprechende Voraussetzungen schaffen. Stromanbieter müssen die jeweiligen Börsenpreise erfassen und mit den zum selben Zeitpunkt angefallenen Verbräuchen jedes einzelnen Kunden verbinden. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, ihre Kunden aktuell oder sogar vorausschauend über die jeweils gültigen oder für den nächsten Tag zu erwartenden Strompreise zu informieren.

In welchem Umfang das geschehen muss, hängt vom jeweiligen Tarif und davon ab, mit welchen Bedingungen der Stromversorger seinen Strom einkauft. Arbeitet er mit langfristigen Verträgen, ändern sich seine Einkaufspreise kaum. Anders sieht es jedoch aus, wenn er täglich bzw. immer einen Tag im Voraus an der Börse einkauft.

Die Information an den Kunden kann über Mobilfunk-Apps oder über die entsprechend eingerichteten und mit dem Internet verbundenen intelligenten Messsystemen erfolgen. Auf jeden Fall müssen Stromanbieter umfangreiche IT- und Kommunikationssysteme anschaffen, um diesen Aufgaben gerecht zu werden. Diese Systeme haben auch die Aufgabe, aus den Verbräuchen und den sich ständig ändernden Strompreisen sachlich richtige Abrechnungen für die Kunden zu erstellen.

Voraussetzung aufseiten der Kunden für die Nutzung variabler Stromtarife ist häufig das Vorhandensein eines intelligenten Messsystems am Stromanschluss. Denn einige Stromanbieter koppeln ihre variablen Stromtarife mit der Bereitstellung eines solchen Systems. Sollte das nicht der Fall sein, musst du dich an einen Messstellenbetreiber wenden und die Installation beantragen.

 

Vorteile von flexiblen Stromtarifen für Verbraucher

Auch beim elektrischen Strom wirken die Marktprinzipien von Angebot und Nachfrage. Bei hoher Nachfrage und mangelndem Angebot steigen die Preise – im umgekehrten Fall sinken sie. Es ist schon lange bekannt, dass es über den Tag verteilt hohe und geringe Nachfragen gibt. Bezogen auf Haushalte bestehen an Arbeitstagen morgens und abends für wenige Stunden Verbrauchsspitzen, in der übrigen Zeit wird weniger Strom benötigt.

In diesen Zeiten ist der Strom demnach eigentlich billiger. Allerdings kannst du diese Tatsache mit einem fixen Tarif nicht ausnutzen, denn du bezahlst immer den gleichen Preis pro Kilowattstunde, egal wann du den Strom verbrauchst.

Mit einem flexiblen Tarif hast du die Möglichkeit, deinen Stromverbrauch an den momentanen Preis anzupassen: Du verschiebst beispielsweise die Nutzung energieintensiver Verbraucher (z. B. Waschmaschine) in einen Zeitraum mit relativ geringer Stromnachfrage und einem günstigeren Strompreis. Kommen dann noch die Schwankungen der Börsenpreise hinzu und kannst du auf sie nahezu in Echtzeit reagieren, sind die Einsparungschancen noch größer.

 

Wie viele bzw. welche flexiblen Stromtarife gibt es in Deutschland?

Bei variablen und dynamischen Stromtarifen steht Deutschland noch am Anfang der Entwicklung. Zwar sind seit Anfang des Jahres 2023 Stromversorger mit mehr als 100.000 Kunden verpflichtet, mindestens einen solcher Tarife anzubieten, jedoch verstecken sie diese Tarife auf ihren Webseiten eher. Auch auf den großen Vergleichsportalen fallen sie nicht gerade ins Auge.

Hintergründe sind sicher der hohe Aufwand, den ein Stromanbieter betreiben muss, um einen flexiblen Stromtarif anbieten und in der Praxis realisieren zu können. Möglicherweise sind auch die Gewinne bei fixen Tarifen höher, sofern der Stromversorger sich langfristig und zu relativ günstigen Preisen mit einem Stromkontingent eindecken konnte.

Doch die Situation wird sich ändern. Denn ab 2025 muss jeder Stromversorger, unabhängig von der Anzahl seiner Kunden, mindestens einen variablen Tarif im Portfolio haben. Auf Nachfrage sind die Kunden über Vor- und Nachteile der Tarife aufzuklären.

Der Wechsel in einen variablen Tarif erfolgt auf die gleiche Weise, wie bei einem Stromtarif mit einem fixen Preis. Auch die Verträge sehen ähnlich aus: Der Anbieter muss sie nach den Festlegungen des § 309 Punkt 9 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gestalten. Daraus ergeben sich folgende wichtige Regelungen:

  • eine maximale Vertragsdauer von 2 Jahren,
  • die maximale Kündigungsfrist von 1 Monat,
  • keine Vertragsverlängerung auf einen festen Zeitraum.

Der dritte Punkt bedeutet, dass der Vertrag nach Ablauf der ersten Laufzeit jederzeit mit einer maximalen Frist von 1 Monat gekündigt werden darf.

Für die Rechnungslegung trifft das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) allerdings gesonderte Regelungen:

  • der Abrechnungszeitraum beträgt maximal 1 Jahr,
  • der Lieferant muss kürzere Zeiträume (monatlich, vierteljährlich, halbjährlich) anbieten,
  • in jedem Fall steht dir eine monatliche Abrechnungsinformation zu,
  • eine Rechnung ist dem Kunden spätestens 6 Wochen nach Ende des Abrechnungszeitraums zuzustellen (bei monatlicher Abrechnung nach maximal 3 Wochen).

Bei monatlicher Rechnungslegung zahlst du keinen Abschlag, sondern für den tatsächlichen Verbrauch.

 

Warum sind flexible Stromtarife für die Energiewende wichtig?

Im Rahmen der Energiewende erfolgt die Stromproduktion zunehmend durch Windräder und Solarzellen. Diese Anlagen sind stark wetterabhängig und liefern, anders als klassische Kraftwerke, keine gleichbleibenden Strommengen. Die flexiblen Tarife sollen die Verbraucher animieren, besonders dann Strom zu verbrauchen, wenn ein hohes Angebot herrscht und der Preis daher günstig ist. Hingegen soll möglichst kein Strom verbraucht werden, wenn das Angebot niedrig und der Preis hoch ist. Du als Stromkunde sparst mit dieser Verhaltensweise Stromkosten und trägst gleichzeitig zur Stabilisierung der Netze bei.