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Energiewirtschaft in Deutschland in der Krise

Über diesen Artikel

Lesezeit

6 Minuten

Veröffentlichung

14.11.2022

Letztes Update

14.11.2022

Eine entwickelte Wirtschaft benötigt viel Energie in Form von Strom und Wärme. Hohe Preise und drohende Versorgungsausfälle gefährden aktuell unsere Energiewirtschaft, Energiesysteme und den Energiemarkt.

Inhalt des Blogartikels

Was versteht man unter dem Begriff Energiewirtschaft?

Die Energiewirtschaft umfasst die wirtschaftlichen Strukturen zur Gewinnung und Bereitstellung von Energie an die Endverbraucher. Lieferungen an den Endverbraucher erfolgt in direkter Form als elektrischer Strom und Wärme (z. B. Fernwärme) sowie in Form von Energieträgern wie Kraftstoffen, Heizöl, Erd- oder Stadtgas, Kohle und Holz. Damit umfasst die Energiewirtschaft den gesamten Prozess und alle Akteure von der Gewinnung von Energieträgern über Transport und Weiterverarbeitung bis zum Großhandel und der Verteilung an Verbraucher. Letzteres bildet den Energiemarkt.

 

Wie funktioniert die Energiewirtschaft in Deutschland?

Die Energiewirtschaft ist in Deutschland weitgehend privatwirtschaftlich organisiert. Das heißt, Energieversorger, Händler und Netzbetreiber sind nicht im Staatsbesitz, sondern in privater Hand. Ausnahmen sind Stadtwerke und kleinere regionale Versorger, die den jeweiligen Kommunen gehören. Dabei kaufen Netzbetreiber Energie im Regelleistungsmarkt zu. Hierfür schreiben sie die Mengen aus, die sie benötigen, um einen sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten. Dadurch haben Stromproduzenten die Gelegenheit, passende Angebote auszusenden. Das bedeutet, dass sie Strommengen zu bestimmten Preisen anbieten. Anschließend werden die Zuschläge von den Netzbetreibern verteilt.

Die großen Energieversorgungsunternehmen stammen noch aus der Zeit, als Strom und (Fern-)Wärme vorzugsweise aus Kohle und Erdöl erzeugt wurden. Dazu gehört zum Beispiel die RWE AG, die EnBW AG, E.ON und Vattenfall. Seit 2018 wird in Deutschland keine Steinkohle mehr gefördert. Noch benötigte Mengen werden im Ausland gekauft.

Auch Braunkohle wurde und wird noch immer für die Verstromung genutzt. Die Tagebaue für die Förderung der Braunkohle betreiben die Energieversorger zum Teil selbst. Ein Beispiel ist der seit vielen Jahren von Umweltschützern bekämpfte Großtagebau Hambacher Forst, der zu RWE Power gehört. In der ostdeutschen Lausitz agiert der Firmenverbund LEAG gleichzeitig als Tagebauunternehmen und als Stromerzeuger.

Infolge der Pläne der Bundesregierung, bis spätestens 2038 (bzw. bis 2030 laut der aktuellen Rot-Grün-Gelben Koalition) im Rahmen der Energiewende aus der Kohle auszusteigen, haben die Energieversorger bereits in den letzten Jahren die Kohleverstromung zurückgefahren und Kohlekraftwerke stillgelegt. Allerdings unternehmen sie in der aktuellen Energiekrise in Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium Anstrengungen, um wieder einige Kohlekraftwerke ans Netz zu bringen und die notwendige Steinkohle einzuführen. Der Zielzeitpunkt des Kohleausstiegs soll trotzdem beibehalten werden.

Hintergrund dieser Maßnahmen ist der grassierende und sich verschärfende Klimawandel. Zwischen Politik und Wissenschaft besteht Konsens darin, dass die Ursache des Klimawandels in der in den letzten hundert Jahren stetig gestiegenen CO₂-Emission liegt. Kohlekraftwerke haben einen großen Anteil an diesem Ausstoß. Daher ist die Energiewende eine Notwendigkeit.

 

Warum ist die Energiewirtschaft wichtig?

Werfen wir kurz einen Blick auf die Wertschöpfungskette in der Energiewirtschaft. Den Anfang bildet die Beschaffung der Primärenergieträger. Das sind Kohle, Öl, Gas oder auch Biomasse. Der zweite Schritt besteht in der Weiterverarbeitung in Sekundär- oder Nutzenergie. Das sind elektrischer Strom und (Fern-)Wärme. Zu diesem Prozessschritt zählt auch die Energieerzeugung aus regenerativen Energieträgern (Sonne, Wind). Der dritte Schritt besteht im Transport der erzeugten Energie zu den Verbrauchern. Das geschieht parallel zum Handel bzw. Vertrieb an Kunden. An dieser Wertschöpfungskette sind bereits viele unterschiedliche Unternehmen mit einer Vielzahl an Beschäftigten beteiligt.

Laut dem Statistikportal destatis waren Ende 2020 rund 260.000 Personen in der Energie- und Wasserversorgung Deutschlands tätig.

In Industrie und im privaten Leben geht praktisch nichts ohne elektrischen Strom. Werden Kohlekraftwerke abgeschaltet, muss der dadurch fehlende Strom auf andere Art erzeugt werden. Deshalb wird seit Jahren durch die Politik der Ausbau der Stromerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien gefördert. Hier in Deutschland sind das vor allem Windkraft und Photovoltaik.

Die großen Vorteile bestehen darin, dass Wind und Sonne praktisch unbegrenzt zur Verfügung stehen und dass bei ihrer Nutzung kein klimaschädliches CO₂ entsteht. Aber leider ist die Stromerzeugung auf dieser Basis sehr schwankend. Weht kein Wind und scheint keine Sonne, wird auch kein Strom erzeugt. Auf der anderen Seite liefern die Anlagen bei starkem Wind und intensiver Sonneneinstrahlung zu viel Strom, der oft nicht verbraucht werden kann.

Die Netzbetreiber, die für eine stabile Stromversorgung sorgen, müssen in diesen Fällen sogar Windräder und Photovoltaik-Felder abschalten. Abhilfe können Speichersysteme bringen. Sie lagern überzähligen Strom und speisen ihn ins Netz ein, wenn die erneuerbaren Energien zu wenig oder gar nichts liefern.

Diese Aufgabe können Batteriespeicher, aber auch Pumpspeicherkraftwerke oder Power-to-Gas-Energiesysteme erfüllen. Das Problem ist allerdings, dass Deutschland bei weitem nicht über ausreichend Speichermöglichkeiten verfügt und dieser Umstand noch jahrelang bestehen wird.

Aus diesem Grund haben Regierung und Energieversorger bisher die Verstromung von Erdgas als Zwischenlösung angesehen. Erdgas verbrennt sauberer als Kohle und stößt daher weniger CO₂ aus. Außerdem kann ein Erdgaskraftwerk sehr schnell an die gerade herrschende Stromsituation angepasst werden. Die unstetige Arbeitsweise der Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien wird so ausgeglichen und die Stromnetze bleiben stabil.

Doch hier wird das nächste Problem sichtbar. Deutschland verfügt über eigene Erdgasvorkommen, die etwa 30 Jahre lang unseren Bedarf sichern könnten. Aber aus Umweltschutzgründen ist ihre Ausbeutung verboten. Wir sind gezwungen, den wichtigen Rohstoff zu importieren.

Den Import übernehmen Gasversorger, wie das einst von E.ON abgespaltene Unternehmen Uniper. Wobei die Importeure gleichzeitig andere Geschäftsfelder bedienen. Die Importeure liefern an Kraftwerksbetreiber, Zwischenhändler, Industrieunternehmen und regionale Gasversorger über ein bundesweites Netz an Gasleitungen.

In den letzten 2 Jahrzehnten hat Deutschland große Mengen an Energieträgern, darunter auch Erdgas, aus Russland bezogen. Mit der Zeit wurde Russland zum wichtigsten Lieferanten für Deutschland. Zuletzt lag der Anteil von russischem Erdgas bei 55 Prozent des Gesamtbedarfs. Die Gründe dafür sind der günstige Preis und die unkomplizierte Lieferung großer Mengen über Pipelines.

 

Energiewirtschaft in Zeiten der Inflation

Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat sich die Situation grundlegend geändert. Als Reaktion darauf hat die EU mit Unterstützung der deutschen Regierung eine Reihe von Sanktionen gegen Russland erlassen, die auch die starke Reduzierung von Energieträgerimporten beinhalten. Russland hat seinerseits reagiert. Nach mehrmaligen Reduzierungen der Gasliefermengen fließt aktuell gar kein Gas mehr.

Erdgas ist damit sehr knapp geworden, was nicht nur in Deutschland zu einem sehr starken Preisanstieg geführt hat. Durch die Bedeutung des Gases für die Stromproduktion ist auch der Strompreis extrem angestiegen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Heizung und Warmwasserbereitung im Privatbereich und in der Industrie stark vom Erdgas abhängen. Die hohen Preise machen nicht nur Privathaushalten, sondern auch kleineren Firmen (z. B. Bäckereien, Wäschereien) sowie großen Unternehmen zu schaffen. Es drohen Insolvenzen, Anstieg der Arbeitslosigkeit sowie Abwanderung von Betrieben.

Natürlich ist die Regierungskoalition bemüht, der Energiekrise entgegenzuwirken. Eine Maßnahme ist die Stützung von Gasversorgungsunternehmen, die die stark gestiegenen Preise im Einkauf nicht voll an die Kunden weitergeben können und dadurch bedrohliche Verluste erleiden. Zum Beispiel greift der Bund dem stark betroffenen Unternehmen Uniper mit einem Rettungspaket von rund 15 Milliarden Euro unter die Arme.

Eine zweite Maßnahme ist die Einführung einer Gasumlage, die auf die Preise der Gaskunden aufgeschlagen wird und so den bedürftigen Unternehmen zusätzliche Einnahmen beschert.

Die privaten Verbraucher sollen allerdings ebenfalls entlastet werden. Im Moment wird ein drittes Energiekosten-Entlastungspaket konkretisiert. Das Paket hat einen Umfang von etwa 65 Milliarden Euro. Es enthält eine Strompreisbremse für den Grundbedarf der Haushalte, eine Einmalzahlung von 300 Euro für Rentner als Energiepreispauschale. Studenten sollen 200 Euro erhalten. Die Umsatzsteuer auf Gas wird bis zum März 2024 auf 7 Prozent gesenkt und die Erhöhung des CO₂-Preises um 5 Euro pro Tonne auf den 1. Januar 2024 verschoben. Weitere Maßnahmen beziehen sich zum Beispiel auf Kindergeld und Kinderzuschlag, Kurzarbeitergeld, das Nahverkehrticket und das Wohngeld. Damit will die Bundesregierung Belastungen der Bürger aus der allgemeinen Inflation abfedern.

Im Übrigen sucht die Bundesregierung permanent nach Gas-Alternativen zu Russland und appelliert an Bevölkerung und Unternehmen, den eigenen Energieverbrauch zu überdenken und Einsparoptionen zu nutzen. Ein Winter ohne Heizung infolge eines Gasmangels soll unbedingt vermieden werden. Außerdem gelten seit 01.09.2022 folgende Maßnahmen:

  • Ladentüren dürfen nicht dauerhaft offenstehen,
  • Leuchtreklamen müssen ab 22 Uhr erlöschen,
  • Denkmäler dürfen nicht angestrahlt werden,
  • maximal 19 Grad in öffentlichen Gebäuden,
  • Flure in öffentlichen Gebäuden bleiben kalt.

Ebenfalls in Richtung effiziente Energienutzung zielt die schon eher beschlossene Heizkostenverordnung 2022. Neben anderen Maßnahmen verpflichtet sie zum Beispiel Vermieter, ihre Mieter monatlich über den Heizungsverbrauch zu informieren und so zum sparsamen Umgang mit der Wärme zu animieren.

Immer wieder wird diskutiert, den Betrieb der letzten 3 AKW zu verlängern. Das geschieht auch vor dem Hintergrund, dass die EU den Betrieb von Atomkraftwerken als nachhaltig und klimafreundlich deklariert hat. In dieser Frage gibt es jedoch noch keine Einigung in der Regierungskoalition.

 

Was ist das Energiewirtschaftsgesetz?

Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) hat das Ziel, die sichere, günstige und umweltverträgliche Versorgung der Verbraucher mit Gas und Strom zu sichern. Es bezieht sich nur auf Energie, die leitungsgebunden verteilt wird. Das Gesetz enthält unter anderem Maßnahmen der Genehmigungs- und Anzeigepflicht, der Begrenzung freier Preisbildung, der eigentumsrechtlichen Entflechtung sowie der Eingriffsrechte der Bundesnetzagentur. Zum Beispiel muss bei der jeweiligen Landesbehörde eine Genehmigung zum Betrieb eines Energieversorgungsnetzes eingeholt werden.

Durch mehrere zusätzliche Durchführungsverordnungen wird unter anderem geregelt, zu welchen Bedingungen Haushaltskunden mit Elektrizität bzw. Gas versorgt werden müssen. Energieerzeuger und Netzbetreiber müssen rechtlich getrennt agieren. Außerdem haben die Betreiber ihre Netze allen Kunden zur Verfügung zu stellen und dürfen nur von der Bundesnetzagentur genehmigte Entgelte berechnen.